Stressmanagement: Ist Stress gesund?

Stress ist ein Thema, das mir am Herzen liegt. Im Laufe meiner Karriere als Personal Trainer und Coach und auch vorher als Lehrer ist mir immer klarer vor Augen geführt worden, wie ausschlaggebend Stress ist. Für unsere Gesundheit, für den Muskelaufbau, den Fettabbau, aber vor allem auch für unsere Joie-de-vivre oder Lebensfreude (für die weniger frankophil gesinnten unter uns)!$

Also: Was ist denn jetzt Stress und wie beeinflusst uns das?
Jeder von uns kennt wohl das Gefühl des “Gestresstseins”. Das unangenehme Kribbeln im Bauch, die umher rasenden Gedanken, die für Panik sorgen, diese innere Unruhe, die einem den Schlaf raubt und uns müde macht.

Fragst du dich nicht auch, was da genau abläuft? Woher kommen diese Gefühle und dieses Kribbeln? Und warum verschwindet es, wenn ich Sport treibe?

Ich unternehme jetzt den Versuch, dieses Phänomen physiologisch zu erklären, damit klar wird, wieso es überhaupt zu Stress kommt, und was das eigentlich für uns respektive unseren Körper bedeutet!

Physiologie einer Stressreaktion: Unser Körper ist mir mega Sympathi…kus? (Achtung: Biologie!)

Bei jeder Stressreaktion werden erst die Hormone ACTH (Adrenocorticotropes Hormon), Adrenalin und Noradrenalin und etwas später Cortisol ausgeschüttet. Die ersten drei flachen dann auch relativ bald wieder ab, während Cortisol weniger schnell wieder absinkt.

Vielleicht hast du auch schon vom Sympathikus gehört, dem Gegenspieler zum Parasympathikus? Ich erinnere mich noch vage an die Erklärung im Biologieunterricht: Der Parasympathikus ist für die Erholung zuständig und für die Aktivitäten, die wir währenddessen machen, wie z.B. Verdauung, Pinkeln oder Bekämpfung von Erregern durch das Immunsystem etc. Der Sympathikus hingegen betreibt die leistungssteigernden Funktionen des Körpers, wie z.B. das Erweitern der Pupillen, die Durchblutung der Muskulatur oder die Hemmung der Verdauungsorgane. Ich konnte diese abstrakte Erklärung nie so richtig begreifen, bis sich dann endlich herausstellte, dass es sich hierbei eigentlich tatsächlich einfach um Nervenfasern des autonomen Nervensystems handelt (beginnend im Hirnstamm, für die Nerds unter uns). Autonom, weil es eigentlich nicht bewusst von uns gesteuert wird, sondern auf eigene Faust handelt und eher wir dadurch gesteuert werden!

Zurück zum Sympathikus: Das System reagiert auf Trigger, die wir, also unser Hirn, in unserer Umwelt als Gefahr wahrnehmen, weil wir diese als solche gespeichert haben. Dabei ist das primäre Ziel eine stabile Energieversorgung für den Notfall, weshalb unter Stress Zucker freigesetzt wird. Für unsere Stressreaktion werden wir wahrscheinlich Energie (=Zucker) brauchen, ich erkläre nachher gleich noch, wofür. Um die Zuckerzufuhr stabil zu halten, brauchen wir das Hormon Cortisol, weshalb dieses, am Ende einer eindrücklichen Hormonkaskade, in der Regel auch freigesetzt wird. 

Normalerweise gehört zu einer Stressreaktion die Aktivierung der Muskulatur. Energieintensive Prozesse wie das Immunsystem oder die Verdauung würden stören und Energie abzwacken und werden deshalb heruntergefahren. Schmerzen würden uns ebenfalls behindern, deshalb schütten wir Endorphine aus, damit wir diese nicht spüren. Schon faszinierend, wie irgendwie alles zusammen passt, nicht wahr?

Es war einmal ein Säbelzahntiger…

Wenn du kurz mitspielen würdest, machen wir eine kleine Zeitreise…

Wenn wir, im Vertrauen an die Theorie der Evolution, davon ausgehen, dass wir beispielsweise vor 10’000 Jahren und sogar schon vor rund 200’000 Jahren existierten, und unsere Vorfahren sogar noch früher, müssen wir auch akzeptieren, dass unsere inneren Strukturen wie beispielsweise das Gehirn, mindestens teilweise, schon sehr alt sind.

Wichtig ist im Grunde folgende kurze Zusammenfassung:
Wir haben immer noch ein Steinzeithirn in unserem Schädel, weshalb wir, meist unbewusst, wie ein Steinzeitmensch auf äussere Stimuli reagieren. Diese Tatsache erklärt zum Beispiel auch, wieso wir so leicht zunehmen, wieso wir die Finger kaum von Schoggi und Chips lassen können oder weshalb die meisten von uns lieber Netflix schauen statt Joggen zu gehen und sich Joggen aber meistens (danach) besser anfühlt (aber das lasse ich für einen anderen Artikel).

Bei Stress gilt das gleiche: Wir reagieren auf Stress wie ein Steinzeitmensch. Man hört es in letzter Zeit häufig, und es stimmt im Grunde auch: Unser Hirn ist nicht in der Lage, verschiedene Arten von Stress zu unterscheiden, unser Körper kennt für alle Stressoren das gleiche Reaktionsschema. Fight, Flight oder Freeze. (Einzig die Intensität wird ein Stück weit unterschieden: wenn der Stressor sehr niedriggradig ist, können wir mit dem Frontallappen darauf reagieren und benötigen nicht die volle Wucht der Sympathikus-Stressreaktion).

Im Detail bedeutet das, dieses Beispiel zieht sich durch den ganzen Artikel durch, dass “wir”, also unser Hirn und Körper, nicht unterscheiden können, ob uns ein Säbelzahntiger aus dem Gebüsch anspringt und uns fressen will, oder ob uns unser gemeiner Chef fertig macht oder unser Baby vor Hunger und Durst laut durch die Höhle (heute eher Wohnung oder Haus) schreit.

So oder so reagiert unser Körper mit einer der drei oben genannten Optionen. Dabei ist die Freeze- also die Totstellreaktion eher selten, sie kommt zum Zug, wenn wir wirklich komplett überfordert sind und gar keinen Ausweg aus der Situation finden. Dann werden beispielsweise auch die Mitochondrien in den Zellen heruntergefahren, damit unsere Temperatur sinkt (Tote sind ja schliesslich kalt).


Stell dir jetzt vor, du spazierst durch einen schönen Wald mit riesigen Bäumen und knallgrünen Blättern, in den Gipfeln hörst du Urzeitvögel zwitschern, immer wieder treffen warme Sonnenstrahlen durch das Dickicht hindurch auf dein Gesicht. Vielleicht bist du auf der Suche nach ein paar Beeren und Pilzen oder folgst den Spuren eines lecker aussehenden Hirsches.

Und dann, ganz plötzlich, hörst du ein Rascheln in einem Gebüsch und alles steht still. Du nimmst eine defensive Position ein und lauscht ganz genau, um das Geräusch möglicherweise zu orten. Das Zwitschern hörst du nicht mehr, die Sonnenstrahlen nimmst du nicht mehr wahr, Tunnelblick. Noch ein Rascheln, du schwenkst den Kopf in die Richtung des Geräuschs und noch bevor du deinen Blick ausrichtest, landet der Tiger nach seinem heftigen Sprung einen halben Meter vor dir.

Was vorher, kaum wahrnehmbar, leicht erhöhte Schweissproduktion, sensiblere Wahrnehmungsorgane und ein leichter Adrenalinschub waren, verwandeln sich in rasanten, durch den Brustkorb spürbares Herzpochen, einen Schweissausbruch und einen Adrenalinkick der einem fast fliegen lässt. Wir sind bereit, alles zu geben, um zu überleben.

Der Sympathikus läuft jetzt auf Hochtouren, die Lebensgefahr ist offensichtlich, wir können kaum noch bewusst steuern, was mit unserem Körper passiert. Eine der folgenden Reaktionen wird sich nun ergeben, so oder so unter der Führung des Sympathikus und der oben beschriebenen chemischen Reaktion. 

Fight: Wir bereiten uns also auf einen Kampf ums Überleben vor. Den Säbelzahntiger oder die Krieger des feindlichen Stammes mit unserem Speer oder unserer Steinschleuder in die Flucht schlagen oder töten, ist das Ziel.

Flight: Körperlich gesehen passiert im Prinzip das Gleiche. Nur dass wir die Muskulatur statt zum Kampf für die Flucht brauchen. Also Beine in die Hand und Rennen, als gäbe es kein Morgen mehr. Könnte ja auch tatsächlich sein, denn Tiger sind in aller Regel schneller und stärker als wir Menschen.

Freeze: Die gute alte Schockstarre. Kennen wir vielleicht noch von früher, als die Lehrerin und peinlicherweise gerade beim Vögelbeobachten erwischte und von uns eine Antwort forderte, zu der wir die Frage aber nicht mal im Ansatz kannten. Die guten Freunde wussten dann immer etwas komplett Zusammenhangsloses einzuflüstern, wie zum Beispiel “blau”, als die Frage eigentlich lautete, wieso der König denn jetzt seine Untertanen umbringen liess. Aber ich schweife ab.

Nochmals kurz zusammengefasst: Unter Zuhilfenahme sämtlicher zur Verfügung stehender Modalitäten holt der Körper alles aus der Reserve. (Stress-)Hormone wie Cortisol und Adrenalin schiessen durch unsere Blutbahnen und sorgen dafür, dass unsere Muskeln mit so viel Energie und Sauerstoff wie möglich versorgt werden. Alle Systeme, die nicht essentiell, also nicht überlebenswichtig sind, werden heruntergefahren. Verdauung, Harndrang, und sogar Immunabwehr sind im Moment irrelevant und Energieverschwendung. Dies wird später noch wichtig.

Sympathikus: “Das war gut, danke für die Unterstützung! Sympathikus over-and-out.”

Phuu… Das ging nochmals gut. Filmreif, wie der Säbelzahntiger sich auf dich stürzte, du mit einer geschickten Körperbewegung ausweichen und schnell genug den Speer gegen den Boden aufstellen konntest, sodass sich der Tiger mit seinem zweiten Satz selbst aufspiesste. Überlebt UND Säbelzahntigerfleisch für die nächsten fünf Tage, super!

Nun kann sich der Sympathikus langsam abmelden: Während einer kurzen Zeit sind jetzt Adrenalin und Cortisol gleichzeit aktiv (weil das Cortisol ja etwas später aufkommt und langsamer wieder abgebaut wird), was zur Folge hat, dass sich Immunzellen jetzt auf den Weg in die Arme und Beine machen, um abzuchecken, ob wir verletzt wurden und Bakterien jetzt durch eine Fleischwunde eindringen konnten. Falls Erreger den Weg in unseren Körper gefunden haben, beginnen sie jetzt zu Arbeiten, falls nicht, ziehen sich die Immunzellen wieder zurück, denn sie sind energetisch eher teuer. Brillant, unser Körper!

Nachdem sich die Lage beruhigt hat, wir am Lagerfeuer mit unserem Clan sitzen, uns erzählen, wie wir fast Säbelzahntiger-Lunch wurden und sich das Blatt dann wendete und dabei das Tigersteak und ein paar Beeren geniessen, wird der Parasympathikus aktiv: Erholung, Verdauung, funktionierendes Immunsystem etc.

So viel zur akuten Stressreaktion. Mir ist bewusst, dass das ganz schön viel war, obwohl ich wahnsinnig viele Details, Hormone und Prozesse ausgelassen habe, weil es einfach den Rahmen eines Blogartikels sprengen würde. Ich hoffe trotzdem, dass die grundlegenden Mechanismen einer Stressreaktion klar sind.

Bis hierhin haben wir eigentlich die physiologische akute Stressreaktion beschrieben. Wie im Beispiel mit dem Säbelzahntiger handelt es sich bei akutem Stress um eine Stressreaktion, die unser Überleben sichern soll, aber nur punktuell auftritt. Man begegnet in der Wildnis einem gefährlichen Tier, wird vom verfeindeten Nachbarclan angegriffen oder man steckt in einem sportlichen Wettkampf, den man gewinnen will. So weit so gut, denn das System kann nach getaner Arbeit wieder heruntergefahren werden.

Akut vs. chronisch - gesunder vs. ungesunder Stress

Probleme mit Stress sind wohl eher eine neue Erscheinung unserer Zivilisation. Vor 10’000 Jahren gab es das wohl eher selten, denn nach dem Stress kam die Erholung, das Essen, das Zusammensein mit der Familie und dem Stamm, das Spiel und der Genuss in der Natur.

Wir, also unsere Körper, sind super darauf vorbereitet, akuten Stress zu nutzen und damit umzugehen. Wir haben ja auch lange trainiert. Chronischem Stress können wir aber nicht standhalten, das können nur Pflanzen.

Chronischer Stress ist aber heutzutage und in unseren Breitengraden sehr weit verbreitet. Kennst du jemanden, der nicht häufig bis ständig über “Stress” klagt? Bei der Arbeit, in der Beziehung, mit den Nachbarn, in der überfüllten Sardinendosen-S-Bahn oder den vollgestopften Autobahnen und Strassen und so weiter. Meistens ist es dann auch noch eine Kombination davon: Ich bin morgens etwas spät dran, die Sardine im Bus neben mir rückt mir zu dicht auf die Pelle, der E-Mail-Posteingang ist schon am Morgen überfüllt, der Praktikant verschüttet seinen Kaffee, mein Chef schnauzt mich an, obwohl er selbst für sein Problem zuständig ist, zu Mittag gibt es zwei Portionen Kohlenhydrate mit einer fettigen Sauce, der Nachmittag ist zu kurz, um alles abzuarbeiten, um 19.00 Uhr gehe ich zum Spinning und übertreibe es vollkommen, weil ich mit den anderen Kursteilnehmern mithalten will. Übermüdet und hungrig komme ich nach Hause, beginne etwas schnelles zu kochen, die Waschmaschine piept, weil sie noch geleert werden will, während ich das tue, kocht der Reis über und ich muss, zum zweiten Mal heute, sauber machen, bevor ich endlich mit meinem Abendessen auf dem Sofa kollabieren und Netflix schauen kann. Von Kindern und deren Hausaufgaben war jetzt noch gar nicht die Rede. 

Kommt einem fast schon bekannt vor, oder?

Das ist ein riesiges Problem, denn unsere Stressreaktion, die uns in einer wirklich brenzligen Situation das Leben retten soll, ist für solchen chronischen Stress vollends ungeeignet und viel zu heftig. Blöderweise kann unser Sympathikus aber nicht zwischen modernen, das Leben nicht direkt bedrohenden Stressoren und wirklich tödlichen Stressoren unterscheiden, weshalb wir auf einen schlecht gelaunten Mitmenschen (Chef, Partner, Kind) oder einen überfüllten Posteingang fast genau gleich reagieren, wie auf ein Rudel Wölfe oder bewaffnete Schläger. Ist zwar völlig übertrieben, aber es geht halt nicht anders.

Und jetzt begeben wir uns eben selbst in die Gefahrenzone! Obwohl es in der Intensität der Stressreaktion Unterschiede gibt, ist das gar nicht so relevant. Denn, und darauf komme ich nachher noch zu sprechen, die Intensität ist nicht das, was unserer Gesundheit nachweislich und erheblich zusetzt, sondern die Frequenz (kann man von Frequenz sprechen, wenn etwas ständig ist?).

Eine alte Reaktion in einer modernen Welt…

Das Problem mit dem modernen Alltag ist, dass es eben nicht eine akut lebensbedrohliche Stresssituation ist, die dann aber auch vorbeigeht und von Entspannung abgelöst wird. Ungelöste Diskussionen mit unseren Mitmenschen, aufdringliche Raser, provokative Langsamfahrer, mühsame Chefs, nutzlose Mitarbeiter, stetig wachsende E-Mail-Haufen privat und in der Arbeit, die Steuerrechnung, das schreiende Baby im Flieger, die unsittlichen Teenager im Tram, die lange Warteschlange an der Supermarktkasse, Stau, täglich (oder besser nächtlich) schlechter Schlaf, täglich schlechte Essgewohnheiten; all diese stressauslösenden Reize setzen unser Stressreaktionssystem under Dauerbeschallung und dieses schaltet deshalb auf Dauerbetrieb. Du siehst, die einzelnen Stressoren sind mild bis sehr mühsam, aber man hat nicht den gleichen Adrenalinrausch, wenn unser Boss unsere genialen Vorschläge dauernd ignoriert, wie wenn wir fast angefahren worden wären.

Und dennoch, aufgrund der ununterbrochenen, wenn auch weniger intensiven, Stressreaktion unseres Körpers, gehen die Systeme irgendwann kaputt. Die Rezeptoren für die Hormone wie z.B. Cortisol bilden sich zurück, weil es sonst einfach zu viel ist, der Körper ist nicht mehr in der Lage, Adrenalin und andere Stresshormone abzubauen, wir stehen die ganze Zeit unter Strom und sind gleichzeitig die ganze Zeit total erschöpft und wollen einfach nur schlafen. Wenn wir es dann mal schaffen, neun Stunden am Stück zu schlafen, fühlen wir uns am Morgen trotzdem gerädert. Klar, die Cortisolrezeptoren (das Hormon müsste uns am Morgen eigentlich in die Gänge treiben) sind ja kaum noch vorhanden. 

Effekte von chronischem Stress

Dieser Dauerstress, sich die ganze Zeit latent bedroht zu fühlen, hat einige, nicht ganz harmlose Wirkungen auf uns, unsere Psyche und unseren Körper:

  • Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Wut und Depression.

  • Energiemangel, Konzentrationsprobleme

  • Schlafprobleme

  • Kopfschmerzen

  • Angstzustände und Panikattacken

  • erhöhter Blutdruck und erhöhte Herschlagrate

  • höhere Cholesterinwerte und erhöhtes Herzinfarktrisiko

  • geschwächtes Immunsystem, das weniger gut in der Lage ist, Krankheiten abzuwehren und uns davon zu erholen

  • Magenkrämpfe, Magenbrennen, Übelkeit

  • Libidoverlust (keine Lust auf Sex)

  • reduzierte Spermienproduktion bei Männern (Achtung, Stress ist keine gute Verhütungsmethode)

  • verstärkte Periodenschmerzen bei FRauen

  • sensiblere Schmerzwahrnehmung, Muskel- und Gelenkschmerzen

  • niedrige Knochendichte

Eine verdammte Liste, die wir hier haben, oder?! Und das waren nur die Highlights…

Nach diesem kleinen Schocker müssen wir zur positiven Nachricht kommen. Erstens sind die oben beschriebenen Auswirkungen grösstenteils reversibel und zweitens können wir Stress auch zu unseren Gunsten nutzen!

Wie oben beschrieben, ist unser Körper erstaunlich (wirklich phänomenal!) gut darauf programmiert, akute Stressoren ohne langfristige Schäden zu überstehen (vorausgesetzt, der Bär reisst uns nicht mit seiner Pranke den Kopf ab).

Nicht nur das, ein gesunder Körper, also ein optimal gesunder Körper, braucht hin und wieder externen Stress, um alle Systeme optimal am Laufen zu halten. Wir können in diesem Kontext also durchaus von gesunden Stressoren sprechen!

Endlich: Gesunde Stressoren!

Wir können unserer Gesundheit und unserem Körper viel Gutes tun, wenn wir uns “gesundem” Stress aussetzen, dies muss aber kurzfristig und von Erholung begleitet sein. Schlussendlich bedeutet Gesundheit nämlich Flexibilität. Dass man auf ungeplante und unvorhersehbare Situationen flexibel reagieren kann. Heute sind wir vergleichsweise unflexibel. Im Winter heizen wir, im Sommer kühlen wir, wenn es regnet, haben wir einen Schirm, wir schauen, dass uns immer wohl ist. Die Anpassungsfähigkeit geht so verloren. Wenn wir dann mal in eine kalte oder warme Situation kommen, ist unser Körper nicht mehr in der Lage, darauf zu reagieren und wir nehmen die Situation als sehr unangenehm wahr und werden “unleidlich”. Hunger ist ein weiteres Beispiel: Wie viele Leute kennst du, vielleicht sogar du selbst, die sehr reizbar werden, wenn sie nur schon ein kleines Hüngerchen verspüren? Wer das Hungergefühl immer sofort mit Essen beruhigt, bringt sich selbst in die Bredouille, wenn es mal nichts zu essen gibt, was durchaus mal vorkommen kann. 

Wir sparen uns jetzt weitere Beispiele und ich liste die wichtigsten gesunden akuten Stressoren auf:

  • Krafttraining: Keine Liste, die mit Gesundheitsförderung zu tun hat, wäre komplett, ohne Krafttraining!

  • Ausdauertraining: vor allem eine Mischung aus lang-langsam (45’ Joggen) und schnell-kurz (Intervall)

  • Sauerstoffmangel: Nicht, dass du jetzt gleich zu hyperventilieren beginnst, aber wenn du beispielsweise bei einer Ausdauerübung Vollgas gibst, bleibt dir am Schluss doch schon etwas die Luft weg, oder?

  • Temperatur: Sauna und Eisbaden sind sehr modisch, das hat aber auch Gründe

  • Hunger/Durst: Das Hungergefühl wird in der Regel von gesunden Prozessen begleitet. Das Mantra des Trinkens, bevor man Durst verspürt erachten wir als veraltet

Was soll ich jetzt damit anfangen? Empfehlungen für deine Gesundheit

Wir sehen, dass wir Stress einsetzen können, um flexibel, also anpassungsfähig, und gesund zu bleiben. Diese Stressoren sollten intermittierend eingesetzt werden, damit unser Körper sich langsam daran gewöhnt, sich nicht zu sehr an ständiges Wohlgefühl zu gewöhnen. 

Ein Wort der Warnung: Wenn du noch nicht sehr vertraut mit diesen Stressoren bist, solltest du nicht gleich alles auf einen Schlag ausprobieren, das wäre ein bisschen viel.

Wichtig ist, dass du dich langsam an die Grenzen deiner Wohlfühlzone herantastest und diese dann auch überschreitest, damit sie sich ausweiten, du lange gesund bleibst und mit Unvorhersehbarem klarkommst. Bei der Wanderung das Wasser schon aufgebraucht? Kein Problem, ich kann später trinken. Etwas Hunger bei der Arbeit? Egal, der verfliegt schon wieder und in drei Stunden habe ich Zeit für ein Mittagessen. Mein Enkelkind wächst und wächst? Macht nichts, meine Knochen und Muskeln wachsen ebenfalls und ich kann mithalten. Klimaanlage kaputt? Ich komme auch bei Hitze klar. 

Solche Alltagsbeispiele zeigen die Wichtigkeit auf, auch heute flexibel zu bleiben. Ausserdem haben alle oben genannten Stressoren resp. die Reaktion unseres Körpers darauf zur Folge, dass chronischer Stress reduziert wird, was ein riesiger Grund, diese auszuprobieren.

Mir ist natürlich klar, dass du wahrscheinlich keine Zeit für das optimale Supermensch-Protokoll hast, habe ich auch nicht:

  • 4x/Woche Krafttraining,

  • 2x/Woche 45’ Joggen auf nüchternen Magen

  • 1x/Woche Intervalltraining, ebenfalls nüchtern

  • 3x/Woche Sauna

  • 3x/Woche Eisbaden

  • tägl. 30’ Meditation nicht vergessen

  • und dann noch jeden Tag gesund kochen und essen und 10’000 Schritte und am Wochenende in die Natur gehen zum Wandern oder sonstiger gemütlicher Aktivität.

Sehr unrealistisch, ich weiss…
Aber dennoch kann jede und jeder von uns einige dieser Stressoren ab und zu einbauen und langsam zu einer Routine formen, die unser Leben verbessert, verlängert und spannender gestaltet!

Man kann ja auch mit 2x/Woche 30 Minuten Krafttraining beginnen. Oder 1x/Woche 25’ Joggen. Oder 2x/Woche in die Sauna gehen. Oder einen Tag alle zwei Wochen fasten. Und so weiter…

Schlussendlich ist die Anwendung individuell, da mit Jobs, Kindern und sonstigen Verpflichtung nicht immer ganz klar ist, wann ich was noch in meinen Alltag integrieren kann. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, einige dieser wahnsinnig gesunden Aktivitäten aufzunehmen. Für Hilfe zur Zielgestaltung und einfaches Erreichen unserer Ziele verweise ich gerne auf den Artikel, den ich zu diesem Thema geschrieben habe: hier!

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