Wie setzt man sich Ziele, die man dann auch erreicht?

Wer bei der Zielsetzung ein paar essenzielle Aspekte beachtet, hat sie schon halb erreicht, bevor die Arbeit begonnen hat!
In diesem Artikel erfährst du alles, was du über das Setzen von guten Zielen wissen musst, und noch ein bisschen mehr. Viel Spass bei der Lektüre!

Der folgende Artikel ist inspiriert von einem zum gleichen Thema, der anfangs 2022 von Eric Trexler auf strongerbyscience.com erschienen ist.

Von Neujahrsvorsätzen, Marketing und dem Phänomen des Menschlich-seins

Es ist wieder soweit! Die Weihnachtsbeleuchtung wurde vielerorts wieder eingezogen, die vor kurzem noch hell strahlenden Rentiere machen es sich wieder im Kellerabteil bequem, die letzten Stücke Weihnachtsgebäck werden noch aufgebraucht, das neue Jahr ist angelaufen. 

Und auch die Marketer der Fitnessindustrie, vorhersehbarer als der neue genau gleiche Weihnachts-Liebesfilm, laufen mit ihrer Neujahrsvorsatzleier auf Hochtouren (übrigens bekennen wir uns an dieser Stelle schuldig, in der Vergangenheit exakt das gleiche gemacht zu haben). Und die sieht folgendermassen aus:

Ende November bis Dezember:

  • Black Friday Sale

  • Posts, Videos, Artikel etc. mit dem Titel “Jetzt beginnen, statt auf die Neujahrsvorsätze zu warten” oder ähnlich

Weihnachten & Silvester:

  • Option 1: “Geniess die Feiertage, stress dich nicht wegen des Essens” und dergleichen”

  • Option 2: “Wie über die Feiertage die Kalorien im Griff behalten kannst” oder ähnliches

Um den Jahresbeginn herum:

  • “Wie du deine Neujahrsvorsätze (diesmal) wirklich erreichst”

Nachdem ich nun der Branche, in der ich selber tätig bin, einen zünftigen Seitenhieb verpasst habe, krebse ich etwas zurück. Die meisten von uns sind Personal Trainer und Online Coaches geworden, weil wir den Menschen helfen wollen. Und wir haben es nicht einfach, die Aufmerksamkeit jener zu gewinnen, deren Aufmerksamkeit wir wirklich dringend suchen. Und die meisten von uns haben keine Marketingausbildung und folgen deshalb dem, was wir um uns herum sehen. Es spricht ja dann auch nichts gegen ein paar entspannende Worte zum Jahresschluss und ein paar motivierende Worte zum Jahresbeginn zu publizieren.

Blöderweise muss man eingestehen, dass sich ein grosses “ABER” aufdrängt:

Trotz all der gut gemeinten Ratschläge, Insta-Posts, Blogartikel, Videos und Coachingpakete, scheitern die meisten Menschen mit ihren Neujahrsvorsätzen, auch wenn sie sich schon im November an die Arbeit machen.

Dieses tragische Phänomen ist nirgends besser beobachtbar, als in den Fitnesszentren, die im Januar und Februar das grosse Geschäft machen und vollgestopft sind. Ab März kehren dann wieder relativ ruhige Zeiten ein.

Dieser Verhaltensweise gehen wir in diesem Artikel auf den Grund, in der Hoffnung, Abhilfe schaffen zu können. Es gibt nämlich Wege, wie du und deine Bekannten diese Jahresvorsatzspirale durchbrechen können!

 Zunächst sei gesagt, dass die oben genannten Tipps durchaus wertvoll sind. Es ist ein Stück weit wohl auch Geschmackssache (hehe), wie man das Festessen handhaben will. Grundsätzlich ist es meines Erachtens verschwendete Lebensfreude, wenn man sich wegen ein paar Tagen Völlerei übermässige Sorgen macht, trotzdem “zu viel” isst, und es des schlechten Gewissens wegen nicht einmal geniessen kann.

Lassen wir den Unsinn, geniessen die Festtage mit unseren Liebsten und ihren mitgebrachten Desserts, stossen wir zum Neuen Jahr an und schwingen uns danach gut gelaunt und voller Energie wieder aufs Pferd. Gesundheit, körperlich wie mental, sollte eine lebenslange Passion sein, da liegen ein paar frohe, kalorienreiche Tage absolut drin. Entscheidender sind dann wahrscheinlich doch die anderen 360, die wir nun ins Rollen gebracht haben.

Um dies zu unterstreichen noch ein Rechenbeispiel (hier der Artikel zum Kalorienrechnen):
Du müsstest eine Woche lang jeden Tag über 1000 Kalorien über deinem Erhaltungswert essen, um 1 kg zuzunehmen. Du müsstest dann zwei Wochen lang jeden Tag 500 Kalorien unter deinem Standard essen, um es wieder wettzumachen. Alles nicht so schlimm, oder?

Nun kommen wir aber zum Kernthema dieses Artikels: Wieso scheitern wir so oft mit unseren Zielen und Vorsätzen? Und die noch wichtigere Anschlussfrage: Wie setzt du dir Ziele, an denen du langfristig arbeitest und die du tatsächlich erreichen kannst? 

Problem 1: Nicht mein Problem…

Schon oft habe ich - halb scherzend, halb ernst - verlauten lassen, dass sich mein Zukunfs-Ich um etwas werde kümmern müssen. “Das ist Zukunfts-Loris’ Problem”. Ja, genau. Vielleicht fühlst du dich jetzt auch ertappt? Keine Sorge: Was auf den ersten Blick kindisch erscheint, ist eher Naivität und/oder erhöhtem Selbstvertrauen zuzuschreiben. Wir glauben, dass unsere zukünftige Version reifer, intelligenter und willensstärker sein wird, weshalb wir darauf vertrauen, dass unsere zukünftige Version das anpacken werden kann, was uns noch etwas zu mühsam erscheint (wie z.B. regelmässiges Krafttraining). Diese Projektion ist mitunter ein Grund, wieso wir so auf Neujahrsvorsätze abfahren.

Ob sich diese hoffnungsvolle Prophezeiung dann tatsächlich auch erfüllt, hängt von vielen Faktoren ab, die im Laufe des Artikels noch beantwortet werden.

Deshalb stehen wir so, Startpunkte in die Zukunft zu verlegen, und was eignet sich da besser, als der Beginn eines neuen Jahres?

Problem 2: Die Zeit dazwischen…

Ist es dir auch schon mal so ergangen, wie mir? Ich nehme mir vor, am Tag X mit einer Diät zu beginnen. Nehmen wir an, bis dahin sind es noch 2 Wochen. In diesen zwei Wochen stopfe ich mich noch mehr voll, als zuvor, weil ich ja davon ausgehe, dass es ab Tag X nichts mehr geben wird. Dann kommt der Tag X und ich schiebe die Diät noch etwas raus. Und dann findet sie doch nicht statt. Resultat: Während zwei Wochen habe ich überdurchschnittlich viel Kalorien konsumiert, weil ich dachte, ich würde sie anschliessend wieder wegbekommen, was dann aber nicht passierte. Nettoertrag: zusätzliche Fettreserven und geknicktes Selbstwertgefühl.

Solche Situationen sind vorstellbar und stellen ein mögliches Risiko dar, wenn man sich solche Startpunkte in der Zukunft aussucht (vor allem, wenn diese Zwischenzeit für ihr Gebäck bekannt ist).

Problem 3: Doch mein Problem…?

So, jetzt bin ich mein Zukunts-Ich, das neue Jahr beginnt. Jedenfalls legen wir, sobald der Startschuss in Form eines verkaterten 1. Januars erklingt, meist voller Elan und Motivation los. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein: tatsächlich ist das “neue Ich” jetzt reifer geworden und hält sich an die festgelegten Bestimmungen, um die Vorsätze zu erfüllen. Wir packen unsere Sporttasche, gehen ins Fitnesscenter oder in den Wald zum Joggen. Das in der Psychologie “fresh start effect” genannte Zusammenspiel oben genannter Faktoren wirkt, wir spüren den Enthusiasmus und starten durch.

Aber, wir alle kennen es, die Wirkungs der Motivationsspritze lässt nach, wir lassen ein Training sausen, dann zwei, dann zwei Wochen und dann zwei Monate. Schon stehen die Sommerferien vor der Tür und wir beklagen, dass wir es wieder nicht rechtzeitig zur Strandsaison geschafft haben, unsere Ziele umzusetzen.

Das Problem - unser Problem - ist, dass wir den gesamten Einsatz auf unsere Hoffnung und Motivation gesetzt haben. Diese ist aber flüchtig. Und wir sind notorisch schlechte Selbsteinschätzer. Deshalb haben wir im letzten Jahr zu viel Hoffnung in unser Zukunfts-Ich gesteckt und dieses hat nun die Motivation verloren, sodass wir wieder am gleichen Punkt stehen wie letztes Jahr: unzufrieden, enttäuscht und mit etwas weniger Selbstrespekt. Wie schade. Jetzt bleiben noch 10 Monate, wie weiter?

Problem 4: Bin ich SMART?

Jahrzehntelang wurde das Thema “Goal-setting”, also “Ziele-Setzen” in Schulen, Weiterbildungen und firmeninternen Workshops unter dem Titel S.M.A.R.T. präsentiert. Das aus den 70er-Jahren stammende Akronym wäre aus der heutigen Aus- und Weiterbildungslandschaft kaum noch wegzudenken. Falls es doch jemand verpasst hat:

Die SMART-Methode wurde eigentlich für das (Projekt-)Management entwickelt, im Prinzip um die Motivation der Mitarbeiter hochzuhalten, während sie an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Auch ich habe die Abkürzung schon genutzt, um meinen Schülern smarte Ziele aufzuzwingen. Und eine gewisse Sinnhaftigkeit ist erkennbar, es ist ratsam, messbare Ziele auf ein bestimmtes Datum zu setzen. Ansonsten ist das SMART-Zeugs - zumindest für Fitness und Gesundheit - aber eher nutzlos. Dies wird klar, wenn wir die obige Struktur betrachten. Es ist zwar ein sinnvolles Ziel, aber sinnvoll heisst nicht nützlich, denn es hilft uns nicht, in die Tat umzusetzen, was wir als Ziel definiert haben.

Jetzt haben wir aber lange darüber gesprochen - naja, geschrieben und gelesen - was beim Ziele setzen alles schief läuft. Betrachten wir nun eine, wie mir und auch den Autoren von strongerbyscience.com scheint, bessere Methode ab, um Fitnessziele zu stecken, die uns motivieren und dabei helfen, sie auch zu erreichen.

Zielhierarchien: Eine umfassende Struktur,  “Made in Switzerland”, natürli!

Auch wenn das Wort “Hierarchie” in letzter Zeit etwas verpönt wird, weil es ja impliziert, dass etwas oder jemand “wichtiger” oder “besser” ist, als etwas oder jemand anderes (man stelle sich vor…), so ist eine sinnvolle Hierarchie für die Zielsetzung ein wichtiger Bestandteil (zum Glück können wir die Gefühle von Zielen nicht verletzen).

Beschrieben haben sie die Schweizer Wissenschaftler Bettina Höchli, Adrian Brügger und Claude Messner von der Universität Bern in ihrer Publikation “How Focusing on Superordinate Goals Motivates Broad, Long-Term Goal Pursuit: A Theoretical Perspective”. 

Eine ebenso spannende wie lange Lektüre. 

Darin manifestieren sie, dass übergeordnete Ziele, wie sie in letzter Zeit regelrecht angeprangert werden müssen, um in der Fitnessszene ernst genommen zu werden, doch ziemlich sinnvoll sind - im richtigen Kontext.

In Bezug auf die Zielhierarchie steht das übergeordnete Ziel zuoberst und gleicht sehr einer Wertvorstellung.

Natürlich, so auch die Autoren der oben genannten Analyse, sind klar definierte, konkrete Ziele sehr förderlich, wenn es darum geht, kurzfristig gesetzte Ziele zu erreichen. Sie erklären aber auch, dass heutzutage kurzfristige Ziele nicht ausreichen, da z.B. für eine übergewichtige Person nicht nur 10kg zu verlieren wichtig ist, sondern auch, das neue/alte Gewicht langfristig zu erhalten. Und wir wissen, wie es um unsere Motivation steht, wenn sie länger als 2 Minuten, geschweige denn 6 Monate andauern soll…

Die Wissenschaftler schlagen deshalb, auch in Anlehnung an ganz viele andere Studien, die zum Thema Motivation und Zielsetzung durchgeführt wurden, eine umfassende Struktur vor, die sowohl übergeordnete, vage Ziele oder Werte als auch untergeordnete spezifische Ziele beinhalten. Diese Zielhierarchie, so die Autoren, hilft uns, Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden, die auftreten, wenn man lange, vielleicht ein Leben lang, für ein Ziel arbeiten muss. 

Solche Schwierigkeiten sind zum Beispiel schwankende Motivation im Verlauf der Zeit, andere Ziele und Lebensumstände, die in die Quere kommen können, Versuchungen (Hat jemand Schoggi gesagt?!), Rückschläge wegstecken müssen usw.

Die Hierarchie der Ziele im Detail:

Nun kommen wir zum entscheidenden Teil: Wie bauen wir eine solche Hierarchie auf, damit wir erstens überprüfen können, ob unsere Handlungen uns unseren Zielen näher bringen und zweitens, um überhaupt zu ermöglichen, dass Motivation entsteht. Mehr dazu später.

Praktischerweise haben Höckli et al. “Gesundheit” als Beispiel für ihre Zielhierarchie genommen, weshalb ich mir erlaube, direkt aus ihrer grandiosen Arbeit zu kopieren:

https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2018.01879/full

Die untergeordneten Ziele (subordinate goals) kommen in gewisser Weise unseren altbekannten SMART-Zielen am nächsten, denn sie beschreiben am präzisesten, was wir wie tun müssen, um die Ziele der nächsten Stufe, den Zwischenzielen (intermediate goals), zu erreichen. Die untergeordneten Ziele, in diesem Beispiel wöchentlich zu trainieren, Liegestütze zu machen oder jeden Donnerstag um 16 Uhr die Yogastunde zu besuchen, tragen zur Erreichung des Ziels “Fit sein” bei. Dieser Prozess wiederholt sich auf der nächsten Stufe: Die Zwischenziele, hier “Fit sein”, “genug schlafen” usw, sofern sie erreicht werden, tragen zur Erfüllung der übergeordneten Ziele (superordinate goals) bei. Diese wiederum beschreiben dann eher unser Selbstkonzept. Also wie wir uns sehen oder gerne sehen würden, wie wir innerhalb der Gesellschaft platziert sind und agieren und so weiter. Man könnte diese Stufe auch mit unseren Wertvorstellungen gleichsetzen.

Nun verzieht sich hoffentlich langsam der Nebel der Unklarheit und ein deutliches Bild über diese Zielhierarchie ergibt sich. Die übergeordneten Ziele erweisen sich als unabdingbar, sie geben den kleinen, umsetzbaren untergeordneten Zielen erst überhaupt einen Sinn, wodurch dann intrinsische Motivation entstehen kann. Dies hilft uns beispielsweise dabei, unsere untergeordnete Ziele zu erreichen, obwohl wir nicht immer Lust darauf haben, weil wir wissen, dass etwas noch grösseres dahinter steckt. Ich achte also nicht mehr nur auf meine Ernährung, weil ich  “sollte”, oder weil ich abnehmen will, sondern weil es mich gesünder macht und ich dann mehr Energie habe, um für meine Kinder da zu sein, für meine Eltern zu sorgen, meinen Partner im Haushalt zu unterstützen oder in mein Business oder meine anderen Ziele zu investieren.

Ein weiterer grosser Vorteil dieser Zielstruktur ist, dass einerseits ein untergeordnetes Ziel mehrere mittlere oder übergeordnete Ziele bedienen kann, andererseits mehrere untergeordnete Ziele ein übergeordnetes unterstützen.

Erklärung: Wenn ich drei Mal pro Woche trainiere, hilft es mir bei meinem Zwischenziel, fitter zu sein, aber auch meine Zwischenziele “besser schlafen”, “Stress besser managen” und “gesünder essen” werden dadurch unterstützt. Mit diesem Wissen sollte es mir wenigstens ein bisschen leichter fallen, ins Studio zu gehen, und diese schweren Gewichte umherzutragen.

Handkehrum wird mein Zwischenziel, “gesund sein” durch Fitnesstraining bedient, aber auch durch besseren Schlaf, gesünderes Essen und bessere soziale Kontakte. Wenn ich also meine Trainingsmotivation gerade in den Urlaub entlassen habe, kann ich immer noch daran arbeiten, früh ins Bett zu gehen, eine Schlafroutine zusammenzustellen, mehr Gemüse einzukaufen und mich mit Freunden treffen, die mir gut tun.

Ziele setzen, aber wie denn jetzt?

Ich hoffe nun, erfolgreich erklärt zu haben, wieso eine Zielhierarchie als Struktur für geschickt gestzte Ziele sinnvoll ist, sinnvoller sogar als die eher veralteten SMART-Ziele.

Nun müssen wir uns aber daran machen, sich eine solche Struktur zusammenzulegen, passende Hierarchien zu finden, damit es dann auch mit der Erreichung dieser Ziele klappt.

Der Vorteil einer solchen Hierarchie ist deren Langlebigkeit. Man legt sich seine Wertvorstellung ja nicht nur für die nächsten zwei Wochen zurecht. Diese basieren auf unserer Selbsteinschätzung und unseren Vorstellungen und Wünschen, wie wir in Zukunft gerne wären. Ab einem gewissen Alter sollten sich diese Vorstellungen nicht mehr wöchentlich ändern, sondern von langer Dauer sein. Wenn es meinem Wertesystem entspricht, auf meine Gesundheit zu achten, Familie zu gründen, jemand zu sein, der viel reist oder viel arbeitet um viel Geld zu verdienen, dann bleiben diese Zielvorgaben in aller Regel lange erhalten. Das ist auch gut so, denn das gibt uns genügend Zeit, daran zu arbeiten und auch tatsächlich etwas zu erreichen, dass unserem Ziel ähneln könnte. Der Nachteil dabei ist allerdings, dass man nicht häufig dazu ermutigt wird, seine Zielhierarchie zu überprüfen.

Stimmen unsere Ziele noch mit unseren Werten überein? Entsprechen unsere Handlungen immer noch unseren Idealen?

Bevor wir uns also eine ausgefeilte Wertestruktur zurechtlegen, sollten wir die Gelegenheit nutzen, und tiefgründig über unsere Werte nachdenken. Ohne jetzt allzu philosophisch werden zu wollen, aber wie reich wollen wir denn genau sein? Wie viel Zeit wollen wir wirklich in unsere unbefriedigende Arbeit, in unsere Fitness oder für unsere Familie aufwenden? Was macht uns wirklich glücklich?

Wenn all diese banalen Fragen geklärt sind, kann es losgehen. 

Selbstbild

Zuoberst steht das ideale Selbstbild - wie bin ich, wenn ich genau so bin, wie ich es mir wünsche? Darunter liegend, darauf basierend, unsere übergeordneten Ziele wie z.B. “fit sein”. Natürlich sollten hier mehrere Ziele aufgeführt sein, die auch mit Familie, Finanzen und anderen wichtigen Bausteinen des Lebens zu tun haben. Ich bin aber weder Finanzberater, noch Seelsorger oder Immobilienhändler und fokussiere mich deshalb auf die Fitnessziele, die so oder so jede und jeder haben sollte. 

Denn wir wissen, dass ein Minimum an Fitness uns zu nützlicheren, wertvolleren, gesunden, leistungsfähigeren, intelligenteren und liebevollen Menschen macht, die körperlich robust und emotional resilient sind, und sich so optimal um die anderen Ziele wie Reichtum, Familie, Reisen oder was auch immer kümmern können.


Also, Fitness. Gesund sein. Dies beinhaltet wiederum viele Zwischenziele. Viele davon allgemein gülitg und für fast alle sinnvoll, einige aber auch individuell. Grundsätzlich sollten Schlaf und Erholung, Stressmanagement, gesunde Ernährung und Kraft- sowie Ausdauertraining immer vorhanden sein. In welchem Ausmass ist dann wieder individuell festzulegen, da jemand, der sich auf ein Spartan Race oder Triathlon vorbereitet nicht gleich viel Krafttraining braucht, wie jemand, der sein Haus selber bauen will oder mit seinen Kindern gerne Klettern geht und so weiter.

Im Anschluss muss man sich überlegen, was nötig ist, um diese Zwischenziele und damit das ideale Ich zu erreichen, oder zumindest in dessen Nähe zu kommen.

Mehr Gemüse, mehr Proteine, früher ins Bett gehen, nicht so lange Fernsehen schauen, 3x pro Woche ins Krafttraining, 1x pro Woche Joggen, täglich Atemübungen zur Entspannung und so weiter. Auch hier kann ich nur grundsätzliche Beispiele auflisten. Individuelle Ziele planst du am besten selber respektive mit deiner Familie und/oder deinem Coach.

Ich kann aber versuchen, hier noch ein paar Tipps für die Zielformulierung und -setzung festzuhalten, und dir damit hoffentlich den Prozess zu erleichtern.

Positiv vs. Negativ

In diesem interessanten Experiment, dass 2020 versuchte, herauszufinden, welche Art der Zielsetzung besser erreicht wird, wurde zwischen, ich erlaube mir, vereinfachend zu übersetzen, positiven und negativen Zielen unterschieden (die Begriffe in der Literatur lauten “approach-oriented” und “avoidance-oriented” goals). Die Teilnehmer wurden nach einem Jahr befragt, um herauszufinden, welche Ziele häufiger erreicht wurden. Glücklicherweise für uns, hatten die meisten Ziele mit Fitness und Gesundheit zu tun, so dass wir doch einigermassen ableiten können, wie nützlich die eine oder andere Art der Zielsetzung für uns ist.

Dabei waren die positiven Ziele deutlich erfolgreicher, sie wurden zu 58.9% erreicht, während die negativen nur zu 47.1% erreicht wurden.

Hier ein paar Beispiele, um die Formulierungsarten zu verdeutlichen:

Wie streng soll ich sein..?

In der Regel ist die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung grösser, je flexibler ich meine Ziele definiere. Zu beachten gilt, dass flexibel nicht schwammig bedeutet. Es bedeutet aber, um das Beispiel der Proteinaufnahme wieder aufzugreifen, dass wir eher einen Zielbereich definieren, als eine fixe Zahl. Wenn wir nämlich dann nicht genau diese Zahl treffen, ist das demotivierend, landen wir aber in einem Bereich, den wir im Voraus als Ziel definiert haben, zählt es als Erfolg und die Siegesserie geht weiter. Beispiel:

Entscheidend ist, dass unsere Zielformulierungen uns erlauben, Umwege zu tolerieren und Schwankungen zu ermöglichen, damit wir nicht so schnell vom Plan abweichen, nur weil wir einen Keks zu viel gemampft haben.

Der Weg ist das Ziel…

Ein weiterer interessanter Ansatz ist es, sich auf die Prozesse zu fokussieren, statt auf die Resultate (wieder eine Schweizer Produktion aus der Universität Zürich, danke Oliver Kaftan und Alexandra Freund).

Die Wissenschaftler argumentieren, die Logik dahinter scheint mir erkennbar, dass es sinnvoller ist, sich auf den Prozess, statt auf das Endprodukt zu konzentrieren.

Solche Ziele sind in gewisser Weise einfacher zu erreichen, aber für unser Ziel, fit zu sein oder abzunehmen, genauso förderlich. Beispiele:

Wenn wir täglich Gemüse essen und zu jeder Mahlzeit Eiweisse konsumieren, wenn wir drei Mal pro Woche trainieren, dann erreichen wir irgendwann unser Ästhetikziel, unser Kraftziel oder unser Gesundheitsziel. Ausserdem ist es vergleichsweise einfach, diese Prozessziele zu erreichen. Wenn ich aber im vordefinierten Zeitrahmen nur 9kg abgenommen habe, oder beim Bankdrücken nur 95kg stemme, betrachte ich dies als Scheitern und meine Motivation sinkt in den Keller.

Die Schwierigkeitsstufe

Schon während meiner Ausbildung zum Sekundarlehrer lernten wir vom Flow-Gefühl, das vom Wissenschaftler mit dem unaussprechbaren Namen erforscht wurde (Mihály Csíkszentmihályi). Ganz einfach ausgedrückt sollen unsere Aufgaben oder Ziele einfach genug sein, dass sie auch tatsächlich erreicht werden können, aber nicht so einfach, dass wir uns schnell langweilen. Sie sollen schwierig und ambitioniert genug sein, dass sie uns motivieren und wir sie als Challenge wahrnehmen, aber nicht so schwer, dass wir sie für unerreichbar halten (weil sie es vielleicht sind) und wir schnell aufgeben.

Motivation ist flüchtig, Disziplin ist anstrengend, Gewohnheiten bleiben

Ich empfehle an dieser Stelle eine einfache, lohnende und sehr nützliche Lektüre: Die 1%-Methode von James Clear (engl.: Atomic Habits).

Eine extrem kurze Zusammenfassung: Motivation ist flüchtig und Disziplin kann mit der Zeit anstrengend werden. Gewohnheiten halten für immer und bedürfen relativ wenig Effort, wenn man sie sich einmal angeeignet hat. Dazu muss man die erwünschten Handlungen so einfach und lohnend wie möglich gestalten und die unerwünschten Gewohnheiten möglichst erschweren. Beispiele, natürlich:

Ich will mehr Gemüse essen und weniger Bier trinken:

  • Das Bier kommt aus dem Kühl- in den Konservenschrank. Das Gemüse kommt im Kühlschrank zuvorderst auf Augenhöhe. Das Bier ist nicht mehr im Blickfeld und warm, daher unattraktiv, wenn ich überhaupt daran denke. Das Gemüse ist stets das erste, das ich sehe.

Ich will gleich morgens nach dem Aufstehen Joggen gehen:

  • Ich lege meine Jogginghosen gleich neben das Bett oder schlafe sogar darin

Ich will weniger naschen:

  • Die Schokolade kommt in den Keller.

  • Chips kaufe ich nicht, wenn ich den Wocheneinkauf tätige. Wenn ich Lust auf Chips habe, muss ich in dem Moment extra zum Supermarkt gehen (und vor allem aus dem bequemen Haus)

Ich will weniger Fernsehen schauen und mehr lesen.

  • Die Fernbedienung kommt in die Schublade, das Buch direkt auf den Fernsehtisch.

Das Gemüse gehört auf Augenhöhe… ;-)

Aus den Beispielen geht hoffentlich hervor, was gemeint ist, ich empfehle aber wirklich, das Buch zu lesen, weil James Clear darin noch einige weitere Methoden auflistet und diese sehr einfach, aber detailliert genug erklärt. Noch selten enthielt ein Buch, das ich gelesen hatte, so direkt anwendbare Tipps.

Und nun zum Schluss…

Wenn du es bis hierhin geschafft hast, bist du wirklich ein grandioses Biest! Dieser Artikel umfasst nun zehn Seiten und ich komme zum Schluss.

Dabei verzichte ich darauf, nochmals alles zu rekapitulieren und belasse es bei einer winzigen Zusammenfassung des ganzen:

Wenn du Ziele erreichen willst, ob zum Neujahr oder sonst irgendwann, lohnt es sich, sich eine Zielhierarchie oder Zielstruktur zurechtzulegen, die unsere Idealvorstellungen miteinbezieht. Wenn unsere Zwischen- und untergeordneten Ziele darauf basieren, wissen wir immer, wieso wir machen, was wir machen, auch wenn es uns zwischenzeitlich mal angurkt, ins Fitnesscenter zu gehen oder bei Regen zu joggen, oder ab und zu aufs Dessert zu verzichten.

Ausserdem lohnt es sich, Acht auf die Zielformulierung zu geben. Diese sollten positiv sein und erwünschtes Verhalten dazunehmen und prozessorientiert sein. So erleichtern wir deren Erreichung und das Weiterleben unserer Motivation. Die Ziele müssen denn auch erreichbar sein, wenn auch nicht zu einfach.

Und besonders hilfreich ist es, sich Schritt für Schritt, Woche für Woche und Monat für Monat kleine Gewohnheiten anzueignen, die uns unseren Zielen näher bringen und nach und nach solche Gewohnheiten abzulegen, die uns davon entfernen. Man lese dazu James Clears Werk.

Vielen Dank für das Durchhaltevermögen und viel Glück beim Erreichen deiner Ziele! Ich verabschiede mich mit folgender Pseudo-Weisheit:
Man versagt nur, wenn man aufgibt, solange man dranbleibt, auch wenn man Rückschläge erleidet, denn das passiert jedem, gelangt man irgendwann zum Ziel oder zumindest kommt man sehr nahe. Und das genügt meistens, oder nicht?

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Was ist Earthing und welche potenzielle Vorteile hat es?

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Alles, was du über Faszien und Faszienrollen wissen (und wieder vergessen) musst!